Forschung

Trotz des anhaltenden Interesses am Leben des frühen 16. Jahrhunderts ist die Funktion von Musik und ihren Hauptakteuren in dieser Zeit des Übergangs vom Spätmittelalter zur Neuzeit im römisch-deutschen Reich noch immer nicht in angemessener Dimension erforscht. Mit seiner eidgenössischen Herkunft, seinem Wirken am habsburgischen sowie am bayerischen Hof und seinen engen Verbindungen in den mitteldeutschen und preußischen Raum kommt Ludwig Senfl eine – bislang nicht adäquat erfasste – Schlüsselrolle in diesem historischen Prozess zu. Dies war einem fehlenden verlässlichen Überblick über Senfls Œuvre, wie auch dessen ungenügender Aufarbeitung geschuldet.

Mit Beginn der Arbeiten am Werkkatalog (2008) und der sich konsequent anschließenden Neuausgabe von Senfls Werken (seit 2015) wird nicht nur versucht, der musikalischen Praxis wie der musikwissenschaftlichen Forschung musikalische Werke auf dem höchsten kompositionstechnischen Niveau zugänglich zu machen, sondern auch, wesentliche philologische Voraussetzungen für eine grundsätzliche Neubewertung der Musik innerhalb der kulturellen Prozesse der Frühen Neuzeit im deutschen Sprachraum zu schaffen.

Erst die Verknüpfung zwischen Lebensdokumenten, konkreten Kompositionen und Kontextmaterialen ermöglicht allerdings eine Orientierung innerhalb der Werke Senfls und das Verständnis von zeitgenössischen (Musik)Entwicklungen und Phänomenen. Daher soll die vorliegende Website auf lange Sicht zu einer digitalen Forschungsplattform ausgebaut werden, die sowohl den Fortschritt der Senfl-Forschung dokumentiert, als auch Impulse für verwandte Bereiche des (Musik)Lebens der damaligen Zeit setzt. Durch die Einbindung und Edition von Briefmaterial, archivalischen Zeugnissen oder Bilddokumenten soll die Biographik Senfls aber auch die Erforschung seines un/mittelbaren Netzwerkes (Musikskriptorium des Münchner Hofes; Prosopographie der dort tätigen Hofkapellmitglieder) vorangetrieben werden um so das kulturelle Schaffen der Zeit vor dem Hintergrund der soziopolitischen Veränderungen begreifen zu können.